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Radeltour 2005

 

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Über Grimmen nach Schlemmin

 

Auf dem Wege nach Grimmen sahen wir plötzlich in der Ferne eine Dampflok auf der eingleisigen Strecke Stralsund-Berlin vorbeihuschen. An einem Bahnübergang hatten sich bereits viele Experten versammelt, die uns belehrten, dass es sich bei der Maschine um die Schnellzuglok 03 1010 handelt und dass diese auf ihrer Kehrfahrt noch einmal vorbeikommen sollte. Leider konnten wir auf diese Begegnung nicht warten und so versprach ich, ein Photo nachzuliefern. Hier sind nun gleich zwei von derselben Lok.

 

Zur Geschichte: Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die damals existierenden Länderbahnen in die Deutsche Reichsbahn überführt. Der Maschinenpark bestand jetzt aus den verschiedensten Loktypen, von denen die meisten noch aus dem vorigen Jahrhundert stammten. Besonders schmerzlich war der Mangel an leistungsfähigen Schnellzuglokomotiven. So beschloss die Direktion der Reichsbahn neue Einheitsloktypen bauen zu lassen.

 

Im Jahre 1926 wurde die erste Einheitsschnellzuglok mit der Radfolge (2-C-1) des Typs 01 von der Industrie abgeliefert. Nun erwies sich aber der Gleisoberbau für die beachtliche Achsmasse von 20 Tonnen auf vielen Strecken als zu schwach. Deshalb bestellte die Reichsbahn eine leichtere Version des gleich Typs mit nur 17,5 Tonnen Achslast, die 03. Beide Maschinen, die 01 und die 03, hatten zunächst nur Zwillingstriebwerke mit recht mäßigen Beschleunigungswerten. Deshalb bekamen die Serien der 03, die ab 1939 gebaut wurden, Drillingstriebwerke (3 Zylinder) und wurden zusätzlich mit einer Stromlinienverkleidung (im Krieg abmontiert) versehen. Dieser Loktyp, zu der auch die noch heute erhaltene 03 1010 zählt, erreicht bei 1790 PS eine Geschwindigkeit von 140 km/h.

 

Oben: Auf dem Weg nach Schlemmin machten wir einen Abstecher zur Müggenwalder Mühle. Auch hier konnten wir in Abwesenheit des dort wohnenden und arbeitenden Künstlers nur die äußeren Einrichtungen erkunden.

 

 

Links: Der in Backsteingotik errichtete Dom des ehemaligen Bistums Grimmen beeindruckte durch seine schiere Größe.
Ein Blick in das Innere blieb uns versagt.

 

 

 

Links: Der Mühlenaltar in Tribsees: Oben schütten die vier Evangelisten die Frohe Botschaft in die Sakramentsmühle und unten heraus kommt das Christuskind, das von vier  Kirchenlehrern begrüßt wird. Über allem schwebt Gottvater als Schöpfer.

 

 

Schloss Schlemmin

 

Standesgemäß wohnten wir und unsere Fahrräder (siehe unten) im Schlosshotel Schlemmin, welches in einer klaren Vollmondnacht so manche Geheimnisse bereit hielt.

 

Gerd glückte im Schlosspark eine besonders gute Aufnahme unseres Erdtrabanten (links). Mir blieb nur noch die Möglichkeit zu versuchen, auf dem Photo einige Details herauszukitzeln (rechts)

Unsere Fahrräder durften im Engelssaal übernachten,
was zu nebenstehender Unterhaltung führte.

 

Engelssaalstimmung

 

„Endlich einmal eine angemessene Unterkunft“, bemerkte die Dame in Rot, die sich etwas darauf einbildete, dass sie ausgewählt worden war, einer Australierin mehr von ihrer alten Heimat Deutschland zeigen zu dürfen. „Wie Recht Sie haben“, sagte der schwarz gekleidete Herr mit dem französischen Namen, „gestern ging es ja noch, es war zwar ein dunkler Keller, aber mit etwas höherer Decke und trocken. Das Gerümpel in der Ecke hat natürlich etwas gestört, aber man ist ja nicht verwöhnt in dieser Hinsicht!“ „Sie sprechen es aus“, ließ sich die dunkle Dame, siebengängig - aber hartsattlig, vernehmen. „Die vorletzte Nacht war ja eine Zumutung! Dieser schmale Hinterhof, einfach scheußlich, und dann in Gesellschaft dieser verschmutzten Mülltonnen! Was sich unsere Herrschaften dabei wohl gedacht haben?“

Der schwarze Konzertflügel hörte diesem unverständlichen Geplapper notgedrungen zu. Er war verstimmt, hatte natürlich auch schon bessere Tage gesehen. Er träumte noch von dem brausenden Beifall in den Konzertsälen der großen Welt. Sein Herr hatte ihn immer auf seinen Reisen in die berühmten Konzerthäuser mitgenommen. Er war sich durchaus bewusst, dass man noch viele Saiten in ihm zum Klingen bringen konnte. Insofern war er ganz froh gewesen, dass er seinen Lebensabend in einem Schloss verbringen sollte. Aber nun dies: Es war einfach unerhört, dieses einfache bewegliche Volk von der Straße bei ihm im Engelssaal einzuquartieren. Vor allem dieser Drahtesel mit dem alten deutschen Markennamen, der sich wohl auf seinen alten eingesessenen Ledersattel etwas einbildete, missfiel ihm. Offenbar der Wortführer der Bande. Er versuchte zwar, das technische aber unsinnige Gerede auf ein etwas höheres literarisches Niveau zu heben, aber der Streit ging doch meist nur um technische Details ohne künstlerischen Wert. Nur der silberfarbige Dreigängige hatte wohl nicht viel zu melden. Er war technisch veraltet, das war ihm klar, und er hielt sich entsprechend. Vor allem wusste er wohl, was sich gehört. Er bewegte sich kaum und mühte sich verzweifelt, dass kein Tropfen von seiner gut geölten Kette auf den Parkettboden des Festsaals fiel. Ihm wäre in einem Schuppen oder einer Garage wohler gewesen.

 

Auch die Bilder an den Wänden in ihren barocken Rahmen waren empört. Sie hatten zum Teil zwar noch die napoleonische Zeit in entfernter Erinnerung oder hatten wenigstens davon gehört. „Damals soll es auch Vierbeiner in Kirchen und Schlössern gegeben haben, aber zweirädrige in ihrem Engelssaal, das ging denn doch zu weit.“

 

Sie waren wenigstens sehr erleichtert, als der Schwarze mit den vierundzwanzig Gängen ihnen versicherte, dass der ganze Spuk in ein paar Stunden vorbei wäre. Der schien sowieso der vernünftigste von allen zu sein. Mit seinen vielen Zahnrädern war er offenbar seinen Genossen technisch absolut überlegen und strahlte in kritischen Situationen - so auch hier - die nötige Ruhe aus, so dass das alberne Gezeter schließlich aufhörte und der Konzertflügel sich wieder seinen Träumen hingeben konnte.

 

 Verfasst und vorgelesen von Niels Groos im Park-Hotel Schloss Schlemmin am 23.05.05

 

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This page was last updated on 09 August, 2018